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Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes auf die ärztliche und zahnärztliche Vergütung

Am 20.10.2022 verabschiedete der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (kurz: GKV-FinStG). Das Gesetz sieht Finanzreformen in allen Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Zu nennen sind etwa die Reform der Preisbildung von Arzneimitteln, die veränderte Honorierung von Ärzten sowie die Erhöhung des Apothekenabschlags. Laut Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach werden durch das Gesetz Leistungskürzungen und stark steigende Zusatzbeiträge verhindert.  Es soll das 17 Milliarden Euro große Defizit ausgeglichen werden, das die Vorgängerregierung hinterlassen hat.  Die kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) kritisierte den Tag der Gesetzesverabschiedung hingegen als „schwarzen Tag für die Mund- und Allgemeingesundheit in Deutschland.“

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den Auswirkungen des GKV-FinStG auf die ärztliche und zahnärztliche Vergütung. Im Mittelpunkt stehen die Streichung der extrabudgetären Vergütung von Leistungen für Neupatienten (1.) und die Begrenzung des Honorarzuwachses für Zahnärzte (2.). Anschließend folgt eine kurze Zusammenfassung (3.).

1. Streichung der extrabudgetären Vergütung von Leistungen für Neupatienten

Eine Sparvorgabe des GKV-FinStG stellt die Streichung der extrabudgetären Vergütung von Leistungen für Neupatienten dar. Nach der bisherigen Rechtslage wurden Vertragsärzte für ihre erbrachten Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – also ungedeckelt – vergütet, wenn die Leistungen gegenüber einem Patienten erbracht wurden, der noch gar nicht oder für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nicht in der jeweiligen Arztpraxis vorstellig war (sog. Neupatienten). Ziel der Leistungsausweitung im extrabudgetären Bereich war die Verbesserung und Förderung des Zugangs zur ambulanten ärztlichen Versorgung der Versicherten. Zudem sollten Wartezeiten reduziert werden, wenn erstmalig oder erst nach zwei Jahren erneuter Bedarf eines Arztkontakts bestand. Es sollte ein finanzieller Anreiz zur Annahme von Neupatienten geschaffen werden.

Laut der Gesetzesbegründung zum GKV-FinStG ließen die bislang vorliegenden Zahlen jedoch nicht darauf schließen, dass mit Inkrafttreten der bisherigen Regelung Verbesserungen in der Versorgung eingetreten sind, obwohl Mehrausgaben bei der GKV erzeugt wurden. Vielmehr erfolgte eine separate Vergütung einer Leistung, die bereits zuvor in ähnlichem Umfang erbracht worden war. Zur Stabilisierung der Ausgaben der GKV war die Regelung daher zu streichen. Seit dem 12.11.2022 gilt nunmehr die Neufassung des § 87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V. Danach ist Regelung zur außerbudgetierten Vergütung von Leistungen für Neupatienten für Vertragsärzte bis zum 31.12.2022 befristet und entfällt anschließend ersatzlos. Um keine Änderung innerhalb eines laufenden Quartals zu begründen, gilt die bisherige Regelung noch befristet bis zum 31.12.2022 fort.

Zu berücksichtigen ist, dass die Leistungen, die im Rahmen einer offenen Sprechstunde erbracht werden, weiterhin extrabudgetär vergütet werden, vgl. § 87a Abs. 3 S. 5 Nr. 6 SGB V. Um zuverlässig beurteilen zu können, ob die offene Sprechstunde einen ausreichenden Versorgungseffekt hat, der die Mehrausgaben in der GKV zu Lasten der Solidargemeinschaft rechtfertigen vermag, hat der Bewertungsausschuss die Vergütung dieser Leistung im Hinblick auf einen verbesserten Zugang zur fachärztlichen Versorgung zu evaluieren, vgl. § 8 Abs. 3 S. 17 SGB V. Die Evaluierung hat für den Zeitraum vom 01.07.2021 bis zum 30.09.2024 zu erfolgen. Der Bewertungsausschuss legt dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31.12.2024 einen Bericht über die Ergebnisse der Evaluation vor. Auf Grundlage dieses Berichts wird der Gesetzgeber über die Fortführung oder den Wegfall der extrabudgetären Vergütung für Leistungen, die in der offenen Sprechstunde erbracht werden, entscheiden.

2. Begrenzung des Honorarzuwachses für Zahnärzte

Das GKV-FinStG sieht als weiteren Beitrag der Zahnärzte zur Ausgabenbegrenzung in der GKV eine Begrenzung des Honorarzuwachses vor. Die Regelung des § 85 Abs. 2d und Abs. 3a SGB V bestimmt, dass ein Anstieg des Honorarvolumens für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz in den Jahren 2023 und 2024 gegenüber dem Vorjahr nur in einer gesetzlich vorgegebenen Höhe erfolgen darf. Die Obergrenze richtet sich nach der Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied, die das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 15. September eines jeden Jahres bestimmt. Die Veränderungsrate legt fest, in welchem Umfang Vergütungsänderungen ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragsstabilität erfolgen dürfen. Im Hinblick auf die Ausgabenbegrenzung in der GKV macht die Neuregelung folgende Vorgabe: Wenn Einzelleistungsvergütungen vereinbart sind, dürfen die Punktwerte gegenüber dem Vorjahr maximal um die um 0,75 Prozentpunkte (2023) bzw. 1,5 Prozentpunkte (2024) verminderte Veränderungsrate angehoben werden. Die Regelung begrenzt ferner in den Jahren 2023 und 2024 den Spielraum für die Veränderungen der Gesamtvergütungsvolumina im Bereich der zahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz. Auch dort wird höchstens eine Anhebung um die um 0,75 Prozentpunkte (2023) bzw. um 1,5 Prozentpunkte (2024) verminderte Veränderungsrate zugelassen.

Allerdings regelt das GKV-FinStG zugleich Ausnahmen, sodass die Begrenzung des Honorarzuwachses in den folgenden Fällen nicht greift:

  • Leistungen der Individualprophylaxe,
  • Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen,
  • Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Menschen mit Behinderungen,
  • Früherkennungsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche,
  • Erforderliches Aufsuchen von Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB V zugeordnet sind und die Zahnarztpraxis aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Einschränkung nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen können,
  • Erforderliches Aufsuchen von Versicherten, die in der Eingliederungshilfe nach § 99 SGB V leistungsberechtigt sind und die Zahnarztpraxis aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Einschränkung nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen können,
  • Leistungen, die im Rahmen von Kooperationsverträgen über ambulante Behandlungen in stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 119b Abs. 1 SGB V erbracht werden,
  • Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB V zugeordnet sind, sowie
  • Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die in der Eingliederungshilfe nach § 99 SGB V leistungsberechtigt sind

Die neue Regelung sieht ferner vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 30.09.2023 eine Evaluierung der Auswirkungen der Anhebungsbegrenzung auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis vornimmt.

3. Zusammenfassung

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich aus den beiden Änderungen – Streichung der Neupatientenregelung und Begrenzung des Honorarzuwachses – erhebliche Nachteile für die ärztliche und zahnärztliche Vergütung ergeben. Es überrascht daher nicht, dass die Streichung der Neupatientenregelung aufgrund des hieraus resultierenden Honorareinschnitts in der Ärzteschaft auf entsprechende Kritik gestoßen ist. Ferner hat vor allem die KZBV die strikte Budgetierung für die Jahre 2023 und 2024 beanstandet, da sie insbesondere die neue, präventionsorientierte Parodontitis-Therapie einschränke. Ferner war die Neuregelung nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen. Vielmehr hieß es dort auf Seite 85: „Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf.“

KWM Autor
Björn Papendorf, LL.M.
Partner
Fachanwalt für Medizinrecht
Master of Laws (Medizinrecht)
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